Zollhaus Zürich

Ort: Zürich I Bauherr: Genossenschaft Kalkbreite I Architektur: Enzmann+Fischer Architekten Zürich I Landschaftsarchitektur: koepflipartner landschaftsarchitekten I Projektwettbewerb 2015 1. Preis I Planung und Ausführung 2015-2021

Fotos: Annett Landsmann

Inmitten der Dichte des Langstrassenquartiers steht das Zollhaus für eine Vision, nicht nur betreffend dem Zusammenleben von Menschen, sondern auch bezüglich Freiraum. Obwohl knapp bemessen, muss er den genossenschaftlichen Ansprüchen entsprechen, Rückzugsmöglichkeiten für die Bewohner*innen bieten und zudem einen ökologischen Mehrwert schaffen.

Als öffentlicher Ankunftsort und Bindeglied zur Stadt funktioniert der Zollplatz, wo Feldahornbäume trotz dem Leitungsuniversum im Untergrund eine "Lücke" zum gedeihen gefunden haben. Im ersten Geschoss, durch Treppen öffentlich erschlossen, aber von der Hektik der angrenzenden Strassen geschützt, erwartet den Besucher die Gleisterrasse. Wir sehen sie als eine Bühne, nutzungsoffen, multifunktional, ein wenig wie ein Dorfplatz. Hier trifft man sich im Gleiscafé, geniesst den grandiosen Blick auf das Gleismeer und hier spielen die Kinder, geschützt vor dem Verkehr. Der Genossenschaft, den Gewerbetreibenden oder dem Kindergarten vorbehalten sind die Dachterrassen. Sie sind als offene, multifunktionale Räume geplant. Der Boden besteht aus Kies, der sich je nach Beanspruchung wie ein Aquarell vergrünen darf.

Das Zollhaus ist aber auch ein Biotop für die Pflanzengesellschaften der angrenzenden Gleisfelder. Diese wärmeliebende Flora, oft eingewandert aus dem Süden, findet zwischen den Schotterflächen einen Lebensraum. Es sind Pflanzen, die mit wenig Wasser und Nährstoffen auskommen. Hungerkünstler und Aussenseiter, die ökologische Nischen besiedeln. Dies sind Eigenschaften, die auch auf den Dächern des Zollhauses gefragt sind, denn auch hier sind die Wachstumsbedingungen für die Pflanzen eingeschränkt, die Wasser- Nährstoffversorgung knapp und der Bodenaufbau limitiert.

Das Bepflanzungskonzept für das Zollhaus nutzt diesen spezifischen Aspekt der Anpassung und
wir wählten für die Begrünung Pflanzen aus den erwähnten soziologischen Gesellschaften. Entlang der Gleisterrasse kristallisiert sich in einem lichten Gehölzsaum mit dem Indigostrauch, der Kronwicke oder der Kornelkirsche im Verbund mit Birken und Föhren, das Bild einer poetischen Landschaft. Auf den Dachterrassen bilden Wildrosen, Ginster, Rosmarin oder Thymian einen vegetativen Rahmen, welcher in seiner Zusammensetzung an die mediterrane Macchia erinnert. Es ist allerdings vor allem eine Initialpflanzung mit informellem Charakter, welche auch Platz bietet für Zuzüger und sich in seiner Zusammensetzung verändern darf.

Das gegen Aussen sichtbare, grüne Wahrzeichen des Zollhaus sind allerdings die Maulbeerbäume in den mobilen Wagons auf dem Dach A. Die Bahnschienen und Wagons sind einerseits eine Referenz an die Geschichte der Oertlichkeit, andererseits hat das mobile System auch einen praktischen Hintergrund. Je nach Nutzung können die Standorte der Bäume den zukünftigen Anforderungen angepasst werden.
Maulbeerbäume sind Kulturpflanzen mit langer Geschichte und wie geschaffen für das Zollhaus. Anspruchslos und weitgehend frei von Krankheiten, werden sie im Süden oft als Schatten- oder Allebaum gepflanzt. Zudem bilden sie mit ihren Blättern die Grundlage der Seidenraupenzucht und werden besonders im Mittelmeerraum auch wegen ihren Früchten kultiviert.

Bei unserer ersten Projektvorstellung haben wir als Vision für die Bäume auf den Dachterrassen im Zollhaus, den Guinigi Turm von Lucca in der Toscana verwendet, auf dessen Dach seit vielen hundert Jahren grandiose Steineichen wachsen. Der Besuch des Turms in Lucca hat mich einst nachhaltig beeindruckt, den inmitten einer äusserst dicht gebauten Stadt, bilden die Bäume ein grünes Zeichen. Und es sind richtige Bäume die auf diesem Turm wachsen. Es ist nicht das Bild einer Dachbegrünung, die den Besucher empfängt, sondern die Szenerie einer poetischen Landschaft.

Die Vision Zollhaus ist eng verbunden mit dem Aufbruch der Zürcher Jugend, welche in den 80er Freiräume gefordert hat, die frei von gesellschaftlichen Ansprüchen und ohne Konsumzwang funktionieren. Wir haben im Zollhaus versucht die Freiräume gemäss dieser Bestimmung zu gestalten, als freie Räume, welche vielfältig nutzbar sind, Möglichkeiten zur persönlichen Aneignung bieten und Platz lassen für Unvorhergesehenes. Auf unnötige Inszenierungen, Dekorationen, teure Beläge oder ambitiöse Ausstattung haben wir verzichtet. Wir planten im Bewusstsein, dass wir Bühnen für die Bewohner und Bewohnerinnen der Genossenschaft bauen und nicht das Theater inszenieren.

Freiräume zu entwickeln, für einen Ort mit dieser räumlichen und kulturellen Dichte, war für uns eine grossartige Erfahrung und wir sind gespannt, wie sich das Haus und seine Freiräume (und die Bepflanzung) entwickeln werden. Wir sind aber auch überzeugt, dass das Zollhaus die Struktur und Qualität besitzt, gelassen der Zukunft entgegenzusehen.

BACK © koepflipartner